
Das Strafverfahren beginnt mit der Ermittlung. Ziel der Ermittlungsphase, die das Strafverfahren einleitet, ist es, durch das Sammeln weiterer Beweise die materielle Wahrheit zu erlangen. Während der Ermittlungsphase, in der eines der Hauptziele des Strafrechts – die materielle Wahrheit – erreicht werden soll, werden nach Erlangung des erforderlichen Tatverdachts durch die Staatsanwaltschaft Maßnahmen ergriffen, um die notwendigen Beweise für die betreffende Straftat zu sammeln und zu sichern. Diese Maßnahmen werden im Strafrecht als Schutzmaßnahmen bezeichnet. Die Schutzmaßnahmen bilden den 4. Teil der Strafprozessordnung (Artikel 90-141) und stellen ein Verfahrensmittel dar, das zum Zweck der Sicherung der Beweise, die Gegenstand der Maßnahme sind, angewendet wird, um deren Verlust zu verhindern.
Einer der grundlegenden Anforderungen für die gerechte Durchführung eines Strafverfahrens ist dessen möglichst zügiger Abschluss. Schutzmaßnahmen wie Durchsuchung, Beschlagnahme, Festnahme und Inhaftierung, die während des Strafverfahrens angewendet werden, dienen dem Zweck, ein faires Verfahren zu gewährleisten. Deshalb werden Schutzmaßnahmen als rechtliche Mittel bezeichnet, die vor dem Urteil ergriffen werden, um die Durchführung des Strafverfahrens, die Vollstreckung der daraus resultierenden Entscheidung sowie die Deckung der Verfahrenskosten zu sichern und dabei einen Eingriff in grundlegende Rechte und Freiheiten erfordern. Es ist ersichtlich, dass durch den Einsatz von Schutzmaßnahmen auch in die Grundrechte und Freiheiten der betroffenen Person eingegriffen wird. Die Inanspruchnahme der durch die Verfassung garantierten Grundrechte und Freiheiten erfordert sorgfältiges Handeln und einen Eingriff, der die Grundrechte und Freiheiten der Person nicht ungerechtfertigt verletzt. Schutzmaßnahmen sind ein Mittel zum Zweck des Verfahrens und haben einen vorübergehenden Charakter. Die Anwendung von Schutzmaßnahmen darf die Grundrechte und Freiheiten des Beschuldigten nicht ungerechtfertigt verletzen. Eine ungerechtfertigte Verletzung der Grundrechte und Freiheiten des Beschuldigten steht weder mit dem Recht auf ein faires Verfahren noch mit den Interessen des Strafverfahrens im Einklang. Die während der Ermittlungs- oder Anklagephase eingesetzten Schutzmaßnahmen müssen angemessen und verhältnismäßig sein.
Als Folge des Verfahrens führt die Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens gegen den Beschuldigten oder der Freispruch des Angeklagten zur Feststellung, dass die angewandte Schutzmaßnahme eine unrechtmäßige Maßnahme war (Art. 91, letzter Absatz der Strafprozessordnung). Die Unrechtmäßigkeit der angewandten Schutzmaßnahme bedeutet eine Verletzung der Grundrechte und Freiheiten des Beschuldigten oder Angeklagten. Es ist nicht erforderlich, dass die Maßnahme von Anfang an rechtswidrig war. Eine zum Zeitpunkt ihrer Anordnung rechtmäßige Schutzmaßnahme kann sich im Verlauf der Untersuchung oder der Strafverfolgung als rechtswidrig herausstellen. Zur Beseitigung dieser unrechtmäßigen Anwendung sieht Art. 141 der Strafprozessordnung den Rechtsweg auf Schadenersatz gegen die Schutzmaßnahme vor. Gegen die angewandte unrechtmäßige Schutzmaßnahme kann gemäß Art. 141 StPO eine Schadenersatzklage erhoben werden. Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit Schutzmaßnahmen richten sich nur gegen den Staat und beziehen sich auf Maßnahmen wie Festnahme, Gewahrsam, Haft, Durchsuchung und Beschlagnahme. Für andere Maßnahmen, für die im Strafprozessgesetz keine Regelung zur Schadenersatzleistung besteht, erfolgt der Ersatz des materiellen oder immateriellen Schadens nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften.
Der im Strafprozessrecht vorgesehene Rechtsweg auf materielle oder immaterielle Schadensersatzklagen aufgrund der Unrechtmäßigkeit von Schutzmaßnahmen spielt eine wichtige Rolle beim Schutz vor möglichen Verletzungen der verfassungsmäßigen Ordnung. Mit der Möglichkeit der Erhebung einer solchen Schadenersatzklage wird auch die Erfüllung der Bestimmung des Art. 40/3 der Verfassung gewährleistet.
Fälle, in denen eine Schadensersatzklage gegen Schutzmaßnahmen erhoben werden kann
Die Fälle, in denen ein materieller oder immaterieller Schadensersatzanspruch gegen während des Verfahrens angewandte Schutzmaßnahmen geltend gemacht werden kann, sind im Strafprozessgesetz (CMK) einzeln aufgeführt. Ein Anspruch auf Schadensersatz kann nur in den gesetzlich genannten Fällen geltend gemacht werden, eine darüber hinausgehende Ausweitung ist nicht zulässig. Gemäß Artikel 141 CMK sind die folgenden Fälle für die Geltendmachung von materiellen oder immateriellen Schadensersatzansprüchen vorgesehen.
Artikel 141 – (1) Während der Strafuntersuchung oder Strafverfolgung:
a) Personen, die außerhalb der gesetzlich festgelegten Bedingungen festgenommen, inhaftiert oder deren Untersuchungshaft verlängert wurde,
b) Personen, die innerhalb der gesetzlichen Dauer der Haft nicht einem Richter vorgeführt wurden,
c) Personen, die ohne Hinweis auf ihre gesetzlichen Rechte oder ohne Erfüllung ihres Wunsches, diese Rechte zu nutzen, inhaftiert wurden,
d) Personen, die zwar rechtmäßig inhaftiert wurden, jedoch nicht innerhalb einer angemessenen Frist dem Gericht vorgeführt wurden und für die in dieser Zeit kein Urteil gefällt wurde,
e) Personen, gegen die nach rechtmäßiger Festnahme oder Inhaftierung entschieden wurde, dass keine Strafverfolgung stattfindet oder sie freigesprochen wurden,
f) Verurteilte, deren Dauer der Haft und Untersuchungshaft länger ist als die Strafe oder die wegen eines Vergehens, für das nur eine Geldstrafe vorgesehen ist, zwingend mit dieser Strafe bestraft wurden,
g) Personen, denen die Gründe der Festnahme oder Inhaftierung sowie die gegen sie erhobenen Vorwürfe schriftlich oder, falls dies nicht sofort möglich war, mündlich nicht mitgeteilt wurden,
h) Personen, deren Festnahme oder Inhaftierung nicht ihren Angehörigen mitgeteilt wurde,
i) Personen, gegen die der Durchsuchungsbeschluss unverhältnismäßig durchgeführt wurde,
j) Personen, deren Eigentum oder andere Vermögenswerte ohne Vorliegen der erforderlichen Bedingungen beschlagnahmt oder nicht angemessen geschützt wurden, oder deren Eigentum oder Vermögenswerte zweckentfremdet oder nicht rechtzeitig zurückgegeben wurden,
k) (Ergänzung: 11.04.2013-6459/17 Art.) Personen, die die gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel gegen die Festnahme oder Inhaftierung nicht nutzen konnten, können vom Staat für alle materiellen und immateriellen Schäden Entschädigung verlangen.
(2) Die Behörden, die die in Absatz 1 Buchstaben (e) und (f) genannten Entscheidungen treffen, informieren die betroffene Person über ihre Entschädigungsansprüche, und dies wird in der ergangenen Entscheidung vermerkt.
(3) (Ergänzung: 18.06.2014 – 6545/70 Art.) Außer den in Absatz 1 genannten Fällen können Schadensersatzklagen aufgrund von persönlichen Fehlern, unerlaubten Handlungen oder sonstigen Haftungsfällen im Rahmen der Strafuntersuchung oder Strafverfolgung nur gegen den Staat gegen Entscheidungen oder Maßnahmen von Richtern und Staatsanwälten erhoben werden.
(4) (Ergänzung: 18.06.2014 – 6545/70 Art.) Der Staat kann innerhalb eines Jahres von Richtern und Staatsanwälten, die ihre Aufgaben durch pflichtwidriges Verhalten missbraucht haben, die gezahlte Entschädigung zurückfordern.
Wie ersichtlich, kann eine Entschädigungsforderung nur in den gesetzlich aufgeführten Fällen gestellt werden. Entschädigungsforderungen in nicht gesetzlich genannten Fällen müssen nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen geltend gemacht werden.
Personen, die keinen Anspruch auf Entschädigungsforderungen haben
Nach Art. 144 der Strafprozessordnung (CMK) können Personen, die gesetzeskonform festgenommen oder inhaftiert wurden, in den im Gesetz genannten Fällen keine Entschädigungsansprüche geltend machen. Die Fälle, in denen Personen keinen Entschädigungsanspruch haben, sind wie folgt aufgeführt: Personen, die trotz fehlender Anspruchsberechtigung aufgrund eines nachträglich in Kraft getretenen und zu ihren Gunsten geregelten Gesetzes berechtigt wären, Entschädigung zu verlangen; Personen, gegen die aufgrund von allgemeinen oder besonderen Amnestien, Rücknahmen von Strafanzeigen, Einigungen oder ähnlichen Gründen entschieden wurde, dass keine Strafverfolgung stattfindet oder das Verfahren eingestellt wird; Personen, gegen die das öffentliche Strafverfahren vorübergehend ausgesetzt, verschoben oder eingestellt wurde; Personen, gegen die wegen fehlender Schuldunfähigkeit keine Strafe verhängt wurde; sowie Personen, die durch falsche Angaben vor den Justizbehörden eine Straftat begangen oder sich daran beteiligt haben und dadurch ihre Festnahme oder Inhaftierung verursacht haben. In den oben genannten Fällen können keine materiellen oder immateriellen Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden.
FRIST FÜR DIE GELTENDMACHUNG VON ENTSCHÄDIGUNGSANSPRÜCHEN
Ansprüche auf materielle oder immaterielle Entschädigung gegen im Strafverfahren angeordnete Schutzmaßnahmen können innerhalb von 3 Monaten nach Zustellung der Rechtskraft des Beschlusses oder Urteils an die betroffene Person und spätestens innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft geltend gemacht werden. Nach dem Strafrecht ist für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs die Rechtskraft des Beschlusses oder Urteils erforderlich. Unter „Beschluss oder Urteil“ im Sinne von Artikel 141 der Strafprozessordnung (CMK) versteht man beispielsweise den Beschluss, dass keine Verfolgung stattfindet, bzw. das gerichtliche Urteil als Ergebnis des Verfahrens. Es gibt auch Situationen im Strafprozessrecht, die nicht durch einen Beschluss festgelegt werden. Ein Beispiel hierfür ist eine Person, die festgenommen und wieder freigelassen wird, ohne dass ihre Angehörigen darüber informiert werden. In solchen Fällen findet keine Verkündung oder Zustellung statt. Nach der vorherrschenden Lehre ist der Zeitpunkt der rechtswidrigen Handlung maßgeblich, und die Frist beginnt ab diesem Moment zu laufen.
ZUSTÄNDIGES GERICHT
Der Schadensersatzanspruch wird bei dem Schwurgericht am Wohnort der betreffenden Person geltend gemacht. Befindet sich das Schwurgericht am Wohnort der Person am selben Ort wie das Gericht, das das Urteil in der betreffenden Sache erlassen hat, und ist es dort das einzige Schwurgericht, so ist das nächstgelegene Schwurgericht für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs zuständig.
INHALT DER KLAGESCHRIFT FÜR EINE SCHADENSERSATZKLAGE
In der Klageschrift für eine auf materielle oder immaterielle Schadensersatzforderung gestützte Klage müssen folgende Angaben der klagenden Person enthalten sein:
- Klare Identität und Adresse
- Es ist erforderlich, den verursachten Schaden sowie die Art und das Ausmaß des Schadens zu dokumentieren und entsprechende Nachweise vorzulegen.
Bei Vorliegen von Mängeln in der Klageschrift setzt der Richter der betroffenen Person eine endgültige Frist von einem Monat zur Behebung dieser Mängel. Wird innerhalb dieser Frist den Mängeln nicht abgeholfen, wird der Richter die Ablehnung der Klage der betroffenen Person mitteilen. Bleiben die Mängel in der Klageschrift bestehen, wird die Klage unter Vorbehalt des Rechts auf Einspruch abgewiesen.
Nachdem das Gericht die Klageschrift und die zusammen mit der Klageschrift eingereichten Unterlagen geprüft hat, übermittelt es eine Kopie dieser Unterlagen an den Vertreter des Staatshaushalts in seinem Gerichtsbezirk. Hat der Vertreter des Staatshaushalts Einwände oder Stellungnahmen, so hat er diese innerhalb von 15 Tagen schriftlich dem Gericht mitzuteilen.
FESTSETZUNG DER ENTSCHÄDIGUNG
Das Gericht ist befugt, bei der Festsetzung der Entschädigungssumme den Antrag und die vorgelegten Unterlagen zu prüfen und im Rahmen dieser Bewertungen sowie aufgrund der erlittenen Schäden der betroffenen Personen die Entschädigungshöhe nach den allgemeinen Grundsätzen des Entschädigungsrechts zu berechnen und sämtliche erforderlichen Untersuchungen durchzuführen.
Eine Kostenentscheidung zugunsten der Staatskasse bezüglich der Anwaltsgebühren des Beklagten ist jedoch nur dann möglich, wenn die Entschädigungsklage aufgrund einer unrechtmäßigen Untersuchungshaft vollständig abgewiesen wird.
Rechtsmittel
Gegen das Urteil im Schadensersatzprozess wegen unrechtmäßiger Schutzmaßnahme können der Anspruchsteller, der Staatsanwalt oder der Vertreter der Staatskasse Berufung einlegen. Der eingelegte Antrag wird vom Berufungsgericht vorrangig und zügig geprüft.
ZAHLUNG DER ENTSCHÄDIGUNG
Im Rahmen einer Entschädigungsklage aufgrund unrechtmäßiger Schutzmaßnahmen wird mit Rechtskraft des Gerichtsurteils durch den Kläger oder seinen Bevollmächtigten bei der zuständigen Behörde die Auszahlung der festgesetzten Entschädigung und Anwaltskosten beantragt. Die Zahlung erfolgt auf das der Behörde schriftlich mitgeteilte Bankkonto. Die Zahlung muss innerhalb von 30 Tagen nach dem Datum der Mitteilung erfolgen. Erfolgt die Zahlung nicht innerhalb dieser Frist, wird gemäß Art. 142/10 der Strafprozessordnung die Vollstreckung und Exekution nach den allgemeinen Vorschriften durchgeführt. Ebenfalls darf gemäß Art. 142/10 der Strafprozessordnung vor Rechtskraft der Entscheidung und Beendigung des Verwaltungsverfahrens vom Kläger kein Vollstreckungsverfahren eingeleitet werden.
VERGÜTUNGSGEBÜHR
Das Urteil über die Anwaltsvergütung im Zusammenhang mit einer Schadenersatzklage wird gemäß der nach dem Mindestgebührentarif für Rechtsanwälte berechneten anteiligen Anwaltsgebühr erlassen. Die festgesetzte Anwaltsgebühr darf gemäß Artikel 142/9 der Strafprozessordnung (CMK) nicht niedriger sein als die für Verfahren vor den Friedensstrafgerichten festgelegte Pauschalgebühr und nicht höher als die für Verfahren vor den schweren Strafgerichten festgelegte Pauschalgebühr.
Rückforderung der Entschädigung
Die vom Staat im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gezahlte Entschädigung kann in bestimmten Fällen zurückgefordert werden. Diese Fälle sind in Art. 143 Absatz 1 der Strafprozessordnung (CMK) aufgeführt. Demnach;
- Die Aufhebung der Entscheidung „Keine Verfolgung“ mit nachfolgender Eröffnung eines öffentlichen Verfahrens und Verurteilung,
- sowie die Aufhebung des Freispruchs durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens zum Nachteil des Angeklagten und die Verurteilung.
Im Falle des Vorliegens einer der im Gesetz genannten Situationen wird der vom Staat gezahlte Entschädigungsbetrag, der den Verurteilungsanteil betrifft, auf schriftlichen Antrag des Staatsanwalts durch eine Entscheidung desselben Gerichts vom Betroffenen zurückgefordert. Das Verfahren der Rückforderung der Entschädigung vom Betroffenen unterliegt den Bestimmungen der Gesetzgebung über die Eintreibung öffentlicher Forderungen. Gegen die erlassene Rückforderungsentscheidung steht ein Rechtsbehelf offen. Außerdem sieht das Gesetz keine Frist für die Rückforderung der Entschädigung vor.
Im Falle der Rückforderung der Entschädigung, wenn eine Festnahme oder Inhaftierung aufgrund von Verleumdung (TCK Art. 267/4) oder falscher Zeugenaussage (TCK Art. 272/5) vorliegt, tritt der Staat hinsichtlich der Entschädigungszahlung gegenüber der Person, die verleumdet oder falsch ausgesagt hat, in Regress. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn die Schutzmaßnahme der Festnahme oder Inhaftierung angewandt wurde.
Haftung von Richtern und Staatsanwälten für Schadensersatz
Nach Artikel 141 Absatz 4 der Strafprozessordnung (CMK) wird der im Rahmen einer Schadensersatzklage zugesprochene Schadenersatz von Richtern und Staatsanwälten innerhalb eines Jahres zurückgefordert, sofern diese im Zusammenhang mit der Anwendung von Schutzmaßnahmen pflichtwidrig gehandelt und ihre Dienstpflichten in diesem Sinne missbraucht haben.
Beispielhafte Entscheidungen des Kassationshofs zu Schadenersatzklagen gegen Schutzmaßnahmen
Mit teilweiser Annahme der Klage wird eine materielle Entschädigung in Höhe von 132.512,00 TL und eine immaterielle Entschädigung in Höhe von 90.000 TL vom Beklagten (dem Schatzamt) eingezogen und dem Kläger zugewiesen; die Berufung wird in der Sache zurückgewiesen.
Der Beschluss über die teilweise Annahme des Entschädigungsanspruchs des Klägers wurde im Berufungsverfahren durch die 16. Strafkammer des Regionalen Berufungsgerichts Gaziantep überprüft. Das Urteil mit dem Aktenzeichen 2016/73 (Grundlage) und der Entscheidungsnummer 2016/68 vom 14.11.2016 zur Zurückweisung der Berufung in der Sache wurde vom Vertreter des Beklagten angefochten. Die Akten wurden geprüft und es wurde folgendes erwogen:
1- Im Verfahren mit dem Aktenzeichen 2012/267 vor dem 2. Schweren Strafgericht Diyarbakır wurde der Kläger, der zwischen dem 20.09.2008 und dem 14.01.2013 in Untersuchungshaft war, zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung als Arbeiter bei der Provinzverwaltung … beschäftigt. Bei der Berechnung des materiellen Schadens wurde die Berücksichtigung des Gehalts und der Prämien eines anderen Mitarbeiters in derselben Position als sachgerecht erachtet. Bei der Überprüfung über das UYAP-System wurde jedoch festgestellt, dass der Kläger ab dem 15.05.2010 in den Ruhestand getreten war und eine Rente von der Sozialversicherung bezog. Daher hätte der materielle Schaden des Klägers für den Zeitraum vom 15.05.2010 bis 14.01.2013 auf der Grundlage des Nettogrundlohns berechnet und die festgelegte Summe als materielle Entschädigung anerkannt werden müssen. Dies wurde jedoch nicht berücksichtigt, und es wurde zu Unrecht eine zu hohe materielle Entschädigung zugunsten des Klägers festgesetzt.
2- Obwohl kein objektives Maß existiert, muss die festzusetzende immaterielle Entschädigung unter Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers, der Art der ihm vorgeworfenen Straftat, der Art des Ereignisses, das zur Inhaftierung führte, der Dauer der Untersuchungshaft und ähnlicher Umstände sowie des Geldwertes, den der Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss der Entschädigungsklage erlangen wird, bestimmt werden. Dabei ist ein angemessener Betrag unter Beachtung der Grundsätze von Recht und Billigkeit zu bemessen. Die Festsetzung einer immateriellen Entschädigung in einer Höhe, die den festgelegten Kriterien zugunsten des Klägers nicht entspricht und zu hoch bemessen ist, stellt einen Grund für die Aufhebung dar. (Oberster Gerichtshof 12. Strafkammer, Aktenzeichen 2017/3319, Entscheidung 2017/5747)
Die Rechtsprechung sieht keinen Zweifel daran, dass eine Person, die aufgrund eines einzelnen Delikts rechtmäßig festgenommen oder inhaftiert wurde und im Verlauf der Ermittlungen oder des Verfahrens eine Entscheidung gemäß Artikel 144/1-c der Strafprozessordnung (CMK) erhält, keinen Anspruch auf Entschädigung geltend machen kann. Wurde die Person jedoch gleichzeitig wegen mehrerer Delikte festgenommen oder inhaftiert und liegt für eines dieser Delikte eine Entscheidung gemäß Artikel 144/1-c CMK vor, während für die anderen Delikte keine Verurteilung erfolgte und ein Einstellung des Verfahrens oder Freispruch ergangen ist, so steht fest, dass die erfolgte Festnahme oder Inhaftierung unrechtmäßig war. In diesem Fall ist nach Artikel 144/1-e CMK eine Entschädigung in einer gemäß den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu bestimmenden Höhe zu zahlen.
Der Kläger wurde während der Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Gesetz Nr. 4320, Beleidigung und vorsätzlicher Körperverletzung gegen den Ehepartner wegen aller drei Delikte in Gewahrsam genommen. Gegen ihn wurde wegen dieser Delikte eine öffentliche Klage erhoben. Im Verlauf des Verfahrens wurde die Klage wegen Beleidigung aufgrund eines Rücktritts vom Strafantrag fallengelassen, während er vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Gesetz Nr. 4320 und der vorsätzlichen Körperverletzung gegen den Ehepartner freigesprochen wurde. Obwohl gemäß Artikel 144/1-c CMK bei Einstellung des Verfahrens aufgrund eines Rücktritts vom Strafantrag keine Entschädigung zugesprochen werden kann, liegt wegen des Freispruchs in den anderen Delikten eine unrechtmäßige Festnahme vor. Da der Kläger für keines der festgenommenen Delikte verurteilt wurde und für alle übrigen Delikte freigesprochen wurde, ist nach Artikel 144/1-e CMK eine angemessene Entschädigung nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu gewähren. Die Annahme, dass wegen einer Entscheidung gemäß Artikel 144/1-c CMK für eines der Delikte keine Entschädigung zugesprochen werden könne, ist verfahrensrechtlich und gesetzeswidrig. (Oberster Gerichtshof – Gemeinsame Kammer, Entscheidung Nr. 2015/144)
Urteil: Zahlung einer immateriellen Entschädigung in Höhe von 1.000 TL vom Beklagten an den Kläger.
Objektiv gibt es kein festes Maß, jedoch müssen bei der Festlegung des zuzusprechenden immateriellen Schadensersatzes die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers, die Art der ihm vorgeworfenen Straftat, die Umstände des Ereignisses, das zu seiner Festnahme führte, die Dauer der Inhaftierung sowie ähnliche Aspekte und der bis zum rechtskräftigen Abschluss der Entschädigungsklage zu erwartende finanzielle Wert des Klägers berücksichtigt werden. Dabei ist ein angemessener Betrag zu bestimmen, der den Grundsätzen von Recht und Billigkeit entspricht. Eine Entscheidung über einen unangemessen hohen immateriellen Schadensersatz zugunsten des Klägers, der nicht den genannten Kriterien entspricht, stellt jedoch, je nach Stellung des Beschwerdeführers, keinen Revisionsgrund dar.
Wie im Beschluss des 12. Strafsenats des Obersten Gerichtshofs (Yargıtay) vom 12.05.2015 (Aktenzeichen 2013/531, Urteil 2015/157), der auch von unserem Senat übernommen wurde, ausgeführt wird, enthält Artikel 144 Absatz 1-e der Strafprozessordnung Nr. 5271 (CMK) die Regelung über Personen, die keinen Anspruch auf Schadensersatz haben: „Personen, die vor den Justizbehörden durch falsche Angaben eine Straftat begangen oder an einer Straftat teilgenommen und dadurch ihre Festnahme oder Inhaftierung verursacht haben“. Im Begründungstext heißt es weiter: „Wer vor den Justizbehörden durch falsche Angaben eine Straftat begangen oder an einer Straftat teilgenommen und dadurch seine Festnahme oder Inhaftierung verursacht hat, hat keinen Anspruch auf Schadensersatz.“
Demnach kann eine Person, gegen die wegen einer Straftat ermittelt oder verhandelt wird und die durch falsche Angaben vor den Justizbehörden aus eigenem Verschulden ihre Festnahme oder Inhaftierung verursacht hat, keinen Schadensersatz mehr geltend machen. In diesem Zusammenhang ist es ein Fehler, dass bei der Prüfung des Schadensersatzanspruchs die Strafakte, auf die sich die Forderung stützt, nicht eingeholt und sämtliche Erklärungen des Klägers (Beschuldigten) während der Ermittlungs- und Verfahrensphase geprüft wurden, um durch Vorlage der Original- oder beglaubigten Kopien in der Akte die Überprüfung durch das Gericht zu ermöglichen und festzustellen, ob ein Anspruch auf Schadensersatz besteht.
(Oberster Gerichtshof 12. Strafsenat, Aktenzeichen 2016/2284, Urteil 2017/6035, Beschluss vom 06.07.2017)

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