Bedarfsunterhalt

Was ist Unterhalt?


Unterhalt bezeichnet die Verpflichtung von Ehegatten, die sich in einer bedürftigen Lage befinden, einander zu helfen, ebenso wie die Verpflichtung von Nachkommen gegenüber den Vorfahren, von Vorfahren gegenüber den Nachkommen und von Geschwistern untereinander. Nach dem Türkischen Zivilgesetzbuch Nr. 4721 gibt es vier Arten von Unterhalt: vorläufiger Unterhalt, Teilunterhalt, Unterstützungsunterhalt und Bedürftigkeitsunterhalt.


Was ist Bedürftigkeitsunterhalt?


Bedürftigkeitsunterhalt ist der Unterhalt, der an den Ehegatten gezahlt wird, der aufgrund der Verpflichtung zur Erfüllung der Pflichten aus der ehelichen Gemeinschaft nach deren Auflösung in finanzielle Not geraten ist. Nach Artikel 175 des Türkischen Zivilgesetzbuches Nr. 4721 gilt: „Die Partei, die aufgrund der Scheidung in Armut gerät, kann unbefristet Unterhalt vom anderen Ehegatten entsprechend dessen finanzieller Leistungsfähigkeit verlangen, vorausgesetzt, dass sie nicht schwerer schuldhaft ist. Die Schuld des Unterhaltspflichtigen wird nicht berücksichtigt.“

Aus dem Gesetzestext geht hervor, dass die folgenden Voraussetzungen für die Zahlung von Bedürftigkeitsunterhalt erfüllt sein müssen:

  • Die Person, die Unterhalt beantragt, muss aufgrund der Scheidung in Armut geraten,
  • Die Person, die Unterhalt beantragt, darf nicht schwerer schuldhaft sein als die andere Partei,
  • Einer der Ehepartner muss den Antrag stellen,
  • Der zahlungspflichtige Ehepartner muss über eine angemessene finanzielle Situation verfügen.


Außerdem wird die Schuld des unterhaltspflichtigen Ehepartners nicht berücksichtigt. Das bedeutet, dass bei gleichwertiger Schuld Bedürftigkeitsunterhalt zugunsten des in Armut geratenen Ehepartners zugesprochen werden kann.
Der Zweck des Bedürftigkeitsunterhalts ist es, zu verhindern, dass der weniger schuldhafte Ehepartner in Armut gerät. Daher kann kein Unterhalt zugesprochen werden, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Unterhaltsempfängers verbessert hat, er eine bestimmte berufliche Qualifikation besitzt oder trotz der Möglichkeit, eine Arbeit zu finden, die seinen Lebensunterhalt sichert, nicht arbeitet.

Wer kann unter welchen Umständen Bedürftigkeitsunterhalt beantragen?


Die Partei (Ehepartner), die aufgrund der Scheidung in Armut gerät, kann unter der Bedingung, dass sie nicht schuldhafter als der andere Ehepartner ist, Bedürftigkeitsunterhalt verlangen. (Türkisches Zivilgesetzbuch (TMK) Art. 175/1)
Den Bedürftigkeitsunterhalt muss der Ehepartner beantragen, der durch die Scheidung in Armut fällt. Der Oberste Gerichtshof (Yargıtay) bewertet den Begriff der Armut je nach Einzelfall unterschiedlich. In den gefestigten Rechtsprechungen des Allgemeinen Zivilrechtlichen Senats des Yargıtay wurde jedoch festgestellt, dass Personen, deren Einkommen nicht ausreicht, um notwendige Ausgaben wie Ernährung, Kleidung, Unterkunft, Gesundheit, Transport, Kultur und Bildung, die für die materielle Existenz eines Individuums erforderlich sind, zu decken, als bedürftig zu betrachten sind.
Für die Anordnung von Bedürftigkeitsunterhalt müssen die Parteien einen Antrag stellen. Der Richter kann diesen Unterhalt nicht von Amts wegen anordnen. Der Unterhaltsberechtigte muss unbedingt einen Antrag stellen. Entgegen der allgemeinen Auffassung in der Gesellschaft können bei Vorliegen der erforderlichen Bedingungen sowohl Frauen als auch Männer Unterhalt beantragen. So entschied das 2. Zivilsenat des Yargıtay mit Beschluss vom 20.12.2016, dass „der Ehemann, der aufgrund der Scheidung in Armut gerät und nicht schwer schuldhaft ist, von seiner wirtschaftlich ausreichenden Ehefrau Bedürftigkeitsunterhalt erhalten kann.“
Der Unterhaltsantrag kann entweder zusammen mit der Scheidungsklage oder nach Abschluss des Scheidungsverfahrens in einem separaten Verfahren gestellt werden. Bei einer einvernehmlichen Scheidung ist es jedoch nicht möglich, nach der Scheidung einen separaten Antrag auf Unterhalt zu stellen, wenn auf den Unterhaltsanspruch verzichtet wurde.

Wie wird die Höhe des Unterhalts festgelegt?


Die Parteien können, sofern dies nicht gegen die öffentliche Ordnung, die Moral oder zwingende Rechtsvorschriften verstößt und unter der Bedingung, dass der Richter gemäß Art. 184 Abs. 5 des Türkischen Zivilgesetzbuches (TMK) zustimmt, eine Vereinbarung über die Höhe, Dauer und Zahlungsweise des Bedürftigkeitsunterhalts treffen.
Der Richter ermittelt unter Berücksichtigung der sozioökonomischen Verhältnisse der Parteien, ihres Vermögens sowie ihrer monatlichen Einkünfte und Ausgaben eine der Rechtslage und Billigkeit entsprechende Unterhaltshöhe.
Die Zahlung von materiellen oder immateriellen Entschädigungen an den während des Scheidungsverfahrens in Armut geratenen Ehepartner steht einem Unterhaltsantrag nicht entgegen. Wird jedoch die gezahlte Entschädigung den Unterhaltsbedarf des Antragstellers decken, so darf nach den Grundsätzen von Treu und Glauben kein Bedürftigkeitsunterhalt zu dessen Gunsten zugesprochen werden.
Die vom Unterhaltsschuldner zu zahlende Summe muss im Verhältnis zu seinen finanziellen Möglichkeiten festgelegt werden und darf ihn nicht in Not bringen.

Es ist außerdem zu beachten, dass bei einer unbefristeten monatlichen Unterhaltszahlung auch eine Erhöhung in jährlichen oder anderen bestimmten Zeiträumen beschlossen werden kann.
Der Unterhalt kann sowohl unbefristet monatlich als auch als Einmalzahlung in Form einer Pauschale festgesetzt werden. In der Praxis wird bei kurzzeitigen Ehen, wenn keine gemeinsamen Kinder vorhanden sind, oder wenn es gemeinsame Kinder gibt, diese aber beim anderen Elternteil das Sorgerecht haben, meist eine Einmalzahlung statt monatlichem Unterhalt bevorzugt.

Kann der Bedürftigkeitsunterhalt erhöht werden?


Nach der Festsetzung des Bedürftigkeitsunterhalts können sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des unterhaltspflichtigen oder unterhaltsberechtigten Ehepartners ändern. In diesem Fall kann das Gericht unter Berücksichtigung der veränderten Umstände eine Erhöhung oder Verringerung des Unterhalts anordnen. Gemäß Art. 176 Abs. 3 des Türkischen Zivilgesetzbuches (TMK) „kann bei Änderung der finanziellen Verhältnisse der Parteien oder bei Erfordernis der Billigkeit über eine Erhöhung oder Verringerung der Unterhaltszahlung entschieden werden.“ Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die antragstellende Partei einen Antrag stellt.

Art und Weise der Zahlung, Dauer und Verjährung des Bedürftigkeitsunterhalts


Der Bedürftigkeitsunterhalt kann entweder als Einmalzahlung oder in Form von Raten (TMK Art. 176) gezahlt werden. In der Praxis wird er meist monatlich in Form von Raten gezahlt.
Nach TMK Art. 175 ist Unterhalt grundsätzlich unbefristet. Unter bestimmten Umständen kann der Unterhalt jedoch enden:
1- Wenn die unterhaltsberechtigte Partei erneut heiratet,
2- Im Falle des Todes einer der Parteien.
In diesen Fällen erlischt die Unterhaltsverpflichtung gemäß TMK Art. 176 automatisch.
Ebenso kann der Unterhalt nach demselben Absatz durch Gerichtsbeschluss aufgehoben werden, wenn die unterhaltsberechtigte Partei ohne Heirat faktisch wie verheiratet lebt, ihre Bedürftigkeit entfällt oder sie ein unwürdiges Leben führt.

Gemäß Artikel 178 des türkischen Zivilgesetzbuchs verjähren die Klageansprüche, die sich aus der Beendigung der Ehe durch Scheidung ergeben, ein Jahr nach Rechtskraft des Scheidungsurteils.
Daher verjährt das Recht, nach Rechtskraft des Scheidungsurteils Unterhalt wegen Bedürftigkeit geltend zu machen, ein Jahr nach dem Datum der Rechtskraft.


Beispielhafte Urteile des Kassationsgerichts


„Der Zustand der Bedürftigkeit ist unter Berücksichtigung der aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen sowie der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse und Lebensweise der Parteien zu beurteilen. Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass im Scheidungsverfahren zwischen den Parteien mit Beschluss des Amtsgerichts Maçka für Zivilsachen vom 19.06.2012 (Aktenzeichen 2012/119 E., 2012/148 K.) aufgrund einer Einigung die Scheidung der Parteien beschlossen wurde und für die beklagte Frau ab dem Datum der Klage monatlich eine vorläufige Unterhaltszahlung in Höhe von 700,00 TL vom Kläger an die Beklagte zu zahlen ist. Dieser Beschluss wurde nach Berufung des Klägers durch den 2. Zivilsenat des Kassationsgerichts mit Urteil vom 28.01.2013 (Aktenzeichen 2012/16423 E., 2013/2155 K.) bestätigt. Der Antrag des Klägers auf Revision wurde vom 2. Zivilsenat des Kassationsgerichts am 24.04.2013 (Aktenzeichen 2013/7167 E., 2013/11267 K.) mit Mehrheitsentscheidung abgelehnt, womit der Beschluss am 10.05.2013 rechtskräftig wurde. Ferner ist durch die Akten erwiesen, dass das monatliche Nettoeinkommen des Klägers nach Abzug der Unterhaltszahlung 1.600,00 TL beträgt, die Beklagte aufgrund ihres verstorbenen versicherten Vaters eine Waisenrente von 272,50 TL erhält und aus dem vom Vater hinterlassenen Immobilienbesitz Mieteinnahmen von 150 TL erzielt. Vor dem Hintergrund dieser materiellen und rechtlichen Tatsachen ist im konkreten Fall festzustellen, dass die von der Beklagten erzielten Einkünfte nicht zur Aufhebung, sondern zur Reduzierung des Unterhalts führen sollten. Das Gericht hat unter Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien zu entscheiden und dabei zu beachten, dass die Bedürftigkeit der Beklagten nicht aufgehoben ist. Gemäß dem Grundsatz der Billigkeit gemäß Artikel 4 des türkischen Zivilgesetzbuchs Nr. 4721 ist der Unterhalt auf einen angemessenen Betrag zu reduzieren.“ (Beschluss des Großen Zivilsenats des Kassationsgerichts, Aktenzeichen 2017/3-1025 E., 2019/1135 K., vom 05.11.2019)

„Der Fall betrifft die Aufhebung des Unterhaltsanspruchs wegen Bedürftigkeit. Im konkreten Fall war die beklagte Frau zum Zeitpunkt der Scheidung nicht erwerbstätig. Es wurde ihr eine monatliche Bedürftigkeitsunterhaltszahlung von 300 TL zugesprochen. Die Arbeit, die die Beklagte begonnen hat, ist eine jederzeit kündbare Beschäftigung und somit keine feste und gesicherte Arbeit. Die Ausübung von befristeten Tätigkeiten führt nicht automatisch zur Aufhebung des Unterhaltsanspruchs. Nach der Scheidung hat sie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen. Angesichts der heutigen wirtschaftlichen Bedingungen ist es ihr mit dem erhaltenen Unterhalt nicht möglich, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten; daher ist es zwingend erforderlich, dass sie eine Arbeit aufnimmt und tätig wird. Das Gericht muss daher berücksichtigen, dass der Mindestlohn die Bedürftigkeit nicht beseitigt, und dass der Antrag auf Aufhebung des Unterhalts auch eine Reduzierung beinhaltet. Diese Tatsache ist bei der Minderung der Unterhaltshöhe als maßgeblicher Faktor zu berücksichtigen, und es ist eine entsprechend angemessene Entscheidung zu treffen.“ (Beschluss des 3. Zivilsenats des Kassationsgerichts, Aktenzeichen 2015/9825 E., 2015/13574 K., vom 07.09.2015)

„Es wird festgestellt, dass die Klägerin als Fabrikarbeiterin mit einem Gehalt auf Mindestlohnbasis arbeitet, zur Miete wohnt und kein Vermögen besitzt, während der Beklagte Rentner ist, gleichzeitig als Wachmann tätig ist und laut der Erklärung im Sozialbericht in einem ihm gehörenden Haus wohnt. Ein Einkommen auf Mindestlohnbasis kann eine Person nicht vor Armut schützen. Unter diesen Umständen sind die Voraussetzungen für Unterhaltszahlungen zugunsten der Klägerin erfüllt, und die Ablehnung des Unterhaltsantrags der Klägerin durch das Bezirksgericht war nicht richtig und erforderte eine Aufhebung.

Unter Berücksichtigung der festgestellten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Parteien, des Verschuldensgrades an den Ereignissen, die zur Scheidung führten, der Kaufkraft des Geldes, der Verletzung der Persönlichkeitsrechte sowie der geltenden und erwarteten Interessen wurde festgestellt, dass der der Klägerin zuerkannte materielle und immaterielle Schadensersatz zu gering ist. Unter Berücksichtigung des Gerechtigkeitsprinzips in Artikel 4 des Türkischen Zivilgesetzbuches sowie der Artikel 50 und 51 des Türkischen Obligationenrechts ist eine angemessenere Festsetzung des materiellen und immateriellen Schadensersatzes erforderlich. Ohne Berücksichtigung dieser Aspekte war die Urteilsfindung nicht korrekt und musste aufgehoben werden.“
(Beschluss des 2. Zivilsenats des Kassationsgerichts, Aktenzeichen 2022/3298 E., 2022/5856 K., vom 15.06.2022)

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