DIE STRAFE FÜR DIE VERNICHTUNG, VERSTECKUNG ODER VERÄNDERUNG VON BEWEISMATERIAL

Einer der grundlegendsten Bestandteile des Strafrechtssystems besteht darin, ein faires und korrektes Gerichtsverfahren zu gewährleisten. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, ist es von großer Bedeutung, dass Beweise geschützt, aufbewahrt und den Justizbehörden so vorgelegt werden, dass die Wahrheit festgestellt werden kann. Andernfalls könnte es unmöglich sein, den Täter zu identifizieren oder die Unschuld einer Person nachzuweisen.

In diesem Zusammenhang regelt Artikel 281 des türkischen Strafgesetzbuchs die Handlungen des „Vernichtens, Versteckens oder Veränderns von Beweismitteln“ strafrechtlich und zielt darauf ab, ein ordnungsgemäßes Verfahren zu sichern. In diesem Beitrag werden die Definition des Delikts, seine Elemente, strafrechtlichen Konsequenzen und seine praktische Anwendung behandelt.

RECHTLICHE DEFINITION DES VERBRECHENS

Der erste Absatz von Artikel 281 des Türkischen Strafgesetzbuches definiert die Vernichtung, Verbergung, Veränderung oder Manipulation von Beweismitteln als eigenständiges Verbrechen. In der entsprechenden Bestimmung heißt es: „Wer Beweismittel eines Verbrechens zerstört, löscht, verbirgt, verändert oder manipuliert, um die Wahrheit zu verhindern, wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren bestraft. Für ein Verbrechen, das die Person selbst begangen hat oder an dessen Begehung sie beteiligt war, wird nach diesem Absatz keine zusätzliche Strafe verhängt.“

Mit dieser Regelung wird das Prinzip der materiellen Wahrheit, das die Grundlage des Strafverfahrens bildet, geschützt. Denn Handlungen zur Beweismittelvernichtung können das Strafverfahren funktionsunfähig machen, was sowohl die Rechtspflege im öffentlichen Interesse beeinträchtigen als auch das individuelle Recht auf ein faires Verfahren verletzen kann.

TATBESTANDSMERKMALE DES VERBRECHENS

Das Verbrechen der Vernichtung, Verbergung oder Veränderung von Beweismitteln weist in Bezug auf seine objektiven und subjektiven Merkmale folgende Grundbausteine auf:

1-Subjektives Element (Vorsatz): Das Verbrechen kann nur vorsätzlich begangen werden. Der Täter muss wissen, dass seine Handlung Beweismittel einer Straftat zerstört, verbirgt oder verändert, und er muss dies mit der Absicht tun, die Offenlegung der Wahrheit zu verhindern.

2-Täter: Dieses Verbrechen, geregelt in Art. 281 des Türkischen Strafgesetzbuches (TCK), ist ein allgemeines Delikt, das von jeder Person begangen werden kann. Die Position des Täters kann jedoch in bestimmten Fällen unterschiedliche rechtliche Bewertungen nach sich ziehen.

3-Tatbestand (Handlungselement): Das Verbrechen ist als Wahlhandlungstatbestand ausgestaltet. Die vom Gesetzgeber definierten und die Tat konstituierenden wahlweisen Handlungen sind: Vernichten, Verbergen, Verändern oder Manipulieren. Die alleinige Durchführung einer dieser Handlungen ist ausreichend, um das Verbrechen zu vollenden.

4-Tatobjekt: Gegenstand dieses Verbrechens ist jedes Objekt, das als Beweis oder als Werk im Zusammenhang mit einer zuvor begangenen Straftat dient. Auf Gegenstände, die keinen Beweiswert haben, angewandte Handlungen begründen kein Verbrechen. Der Begriff „Beweis“ ist weit auszulegen; nicht nur materielle Gegenstände, sondern auch digitale Daten, Spuren, Dokumente und Tatsachen mit Beweischarakter sind einzubeziehen. Beispielsweise kann das Entfernen von Bremsenspuren an einem Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall die Tatbestandsmäßigkeit erfüllen.

Persönliche Straflosigkeitsgründe

Der Gesetzgeber hat für dieses Delikt eine besondere persönliche Straflosigkeit vorgesehen. Demnach wird eine Person, die Beweise für ein von ihr selbst begangenes oder an dessen Begehung sie beteiligt war, vernichtet, verborgen oder verändert, für diese Handlung nicht zusätzlich bestraft. Diese Straflosigkeit gilt jedoch ausschließlich im Rahmen von Art. 281 des Türkischen Strafgesetzbuches. Sollte die Handlung des Täters gleichzeitig eine andere Straftat darstellen (z. B. Urkundenfälschung, Sachbeschädigung, Diebstahl usw.), ist eine zusätzliche Bestrafung für diese Straftaten möglich.

QUALIFIZIERTE FORM DES DELIKTS UND GRÜNDE FÜR STRAFMINDERUNG

1.Begehung durch einen Amtsträger (TCK Art. 281/2)

In Absatz 2 von Artikel 281 des Gesetzes wird die Begehung der Straftat durch einen Amtsträger in Verbindung mit seiner Dienststellung als qualifizierte Form des Delikts anerkannt.

„Wenn diese Straftat von einem Amtsträger in Verbindung mit seiner Dienststellung begangen wird, wird die verhängte Strafe um die Hälfte erhöht.“

Durch diese Regelung wird das Missbrauchen der aus dem öffentlichen Dienst resultierenden Befugnisse durch den Amtsträger, um die Aufdeckung der materiellen Wahrheit zu verhindern, strenger geahndet. Die Handlung des Amtsträgers behindert nicht nur die Durchsetzung der Gerechtigkeit, sondern beeinträchtigt auch das öffentliche Vertrauen und das Prinzip der Unparteilichkeit des öffentlichen Dienstes.

Für die Annahme der qualifizierten Form des Delikts müssen zwei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein: Der Täter muss den Status eines Amtsträgers haben, und die Straftat muss in Verbindung mit seiner Dienststellung begangen worden sein. Handlungen, die von einem Amtsträger aus rein persönlichen Gründen und ohne Bezug zu seiner dienstlichen Stellung begangen werden, fallen nicht unter diese Regelung.

2-Aktive Reue (TCK Art. 281/3)

Die aktive Reue ist ein strafrechtliches Institut, das eine Strafmilderung für den Täter vorsieht, wenn dieser Reue für seine Tat zeigt und den durch die Straftat verursachten Schaden wiedergutmacht.

In Absatz 3 von Artikel 281 des TCK ist vorgesehen, dass der Täter, der Reue zeigt und die Beweismittel dem Gericht übergibt, eine erhebliche Strafmilderung erhält. Laut Gesetzeswortlaut:

„Wer die im Zusammenhang mit der Straftat vor Erlass eines Urteils zurückgehaltenen Beweismittel dem Gericht übergibt, erhält auf die für das in diesem Artikel definierte Delikt verhängte Strafe eine Minderung um vier Fünftel.“

Durch diese Regelung wird die nachträgliche Rückkehr des Täters zur Legalität gefördert; leistet der Täter einen Beitrag zur Strafrechtsdurchsetzung, wird seine Strafe erheblich gemindert.

Die Voraussetzungen für die Anwendung der Strafminderung sind folgende:

  • Das zurückgehaltene Beweismittel muss dem Gericht vor Erlass eines Urteils über die zugehörige Straftat vorgelegt werden.
  • Die Übergabe muss freiwillig durch den Täter erfolgen. Beweismittel, die zwangsweise erlangt oder im Rahmen einer Durchsuchung gefunden wurden, fallen nicht unter diese Regelung.

ANZEIGEFRIST, VERJÄHRUNG UND ZUSTÄNDIGES GERICHT

Das Verbrechen der Vernichtung, Verheimlichung oder Veränderung von Beweismitteln unterliegt keiner Anzeigepflicht und wird von der Staatsanwaltschaft von Amts wegen untersucht. Obwohl für die Untersuchung des Verbrechens keine Anzeigefrist gilt, unterliegt die Klage einer Verjährungsfrist von 8 Jahren. Diese Frist beginnt ab dem Zeitpunkt der Tatbegehung. Die Tat muss der Staatsanwaltschaft innerhalb dieser Frist gemeldet werden, andernfalls kann keine Klage erhoben werden. Außerdem fällt dieses Vergehen nicht unter das Vergleichsverfahren; eine einvernehmliche Lösung zwischen den Parteien ist nicht möglich. Das Verfahren wird vor dem Strafgericht erster Instanz geführt.

AUFHEBUNG DER URTEILSVERKÜNDUNG, AUSSETZUNG UND GELDSTRAFE

Das Verbrechen der Vernichtung, Verheimlichung oder Veränderung von Beweismitteln kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe geahndet werden. Wird eine Freiheitsstrafe verhängt, kann diese in eine Geldstrafe umgewandelt, zur Bewährung ausgesetzt oder ein Beschluss über den Aufschub der Urteilsverkündung (HAGB) erlassen werden.

ENTSCHEIDUNGEN DES OBERSTEN STRAFGERICHTSHOFS

„…Während der kommissarischen Ausübung der Leitungsfunktion des Angeklagten in der Kinderheim-Direktion Kastamonu der Sozialdienste und Kinderfürsorge zog er Gelder, die aus dem Staatshaushalt für die im Heim untergebrachten Kinder eingezahlt worden waren, ab und führte die überflüssigen Beträge nicht vollständig wieder der Bank zu, sondern eignete sie sich an. Im Rahmen der eingeleiteten Ermittlungen wurde behauptet und anerkannt, dass er, um die Aufdeckung seiner Tat zu verhindern, das für die Tat relevanten Ausgangsbuch des Verzeichnisses unleserlich machte und damit ein offizielles Dokument verfälschte. In dem anerkannten Sachverhalt stellt die Handlung des Angeklagten, das Ausgangsbuch zu beschmieren oder zu verändern, um die Aufdeckung seiner Straftat zu verhindern, die Straftat der „Vernichtung, Verheimlichung oder Veränderung von Beweismitteln“ gemäß Art. 281 des Türkischen Strafgesetzbuches (TCK) dar. Aufgrund der im letzten Satz des ersten Absatzes dieses Gesetzes vorgesehenen Regelung, dass einer Person keine Strafe für Beweismittel auferlegt wird, die sich auf ein von ihr selbst begangenes oder an dem sie beteiligtes Delikt beziehen, hätte gemäß Art. 223 Abs. 4 Buchst. b der Strafprozessordnung entschieden werden müssen, dass der Angeklagte nicht zu bestrafen ist…“ (Oberstes Strafgericht, 11. Abteilung, 2016/9854 E., 2018/5359 K., 05.06.2018)

„…Die Handlungen des Angeklagten, gemeinsam mit F.. M.., dessen Akte aufgrund seiner Unerreichbarkeit getrennt wurde, die darin bestehen, die Tür zu einem Verein, in dem sie sich befanden, nicht zu öffnen, um eine Durchsuchung zu verhindern, und dabei ein am Computer angeschlossenes Speichermedium zu entfernen, es so zu beschädigen, dass auf die darin enthaltenen Daten nicht zugegriffen werden kann, und es anschließend auf die Dachterrasse des gegenüberliegenden Gebäudes zu werfen, wurden als Tatsache anerkannt. Es liegen jedoch keinerlei eindeutige, überzeugende und unzweideutige Beweise dafür vor, dass das zu vernichtende Speichermedium Beweise im Sinne von Art. 281 TCK enthielt, und die bestehende Zweifelregel hätte zugunsten der Angeklagten berücksichtigt werden müssen. Stattdessen wurde eine Verurteilung mit schriftlicher Begründung statt eines Freispruchs erlassen.

2- Außerdem wurde unter Missachtung der Auffassung und Anerkennung, dass die behaupteten und anerkannten Handlungen des Angeklagten den Straftatbestand der Unterstützung einer bewaffneten terroristischen Organisation darstellen würden, das Urteil schriftlich erlassen. Dies ist gesetzeswidrig, und die Rechtsmittel des Verteidigers des Angeklagten wurden daher als begründet angesehen, weshalb die Urteile aus diesem Grund AUFGEHOBEN WERDEN…“ (Oberstes Strafgericht, 9. Abteilung, 2013/9234 E., 2014/6210 K., 12.05.2014)

„…Damit diese Straftat verwirklicht wird, muss der Täter mit der Absicht handeln, die Offenlegung der Wahrheit zu verhindern. Im Absatztext ist jedoch ein besonderer persönlicher Straflosigkeitsgrund vorgesehen. Demnach wird eine Person nicht zusätzlich bestraft, wenn sie die Beweise für eine von ihr selbst begangene oder an deren Begehung sie beteiligt war, Straftat vernichtet, verbirgt oder verändert. Dieser anerkannte persönliche Straflosigkeitsgrund ist jedoch ausschließlich auf das Verbrechen des Vernichtens, Verbergens oder Veränderns von Beweismitteln beschränkt. Sollte die Handlung des Täters zugleich eine andere Straftat darstellen, wie zum Beispiel die Beschädigung, Vernichtung oder Verbergung eines amtlichen Dokuments, Diebstahl oder Sachbeschädigung, ist eine Bestrafung für diese Tat möglich…“ (Strafgeneralversammlung 2019/325 E., 2021/590 K., 25.11.2021)

Rechtsanwalt. Gökhan AKGÜL & Rechtsanwalt. Yasemin ERAK

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