
Die gesamtschuldnerische Haftung, die aus einem Rechtsverhältnis oder dem Gesetz entsteht, ist ein Schuldverhältnis, bei dem jeder Schuldner gegenüber dem Gläubiger für die gesamte Schuld verantwortlich ist und der Gläubiger von jedem beliebigen Schuldner die vollständige Erfüllung der Schuld verlangen kann. Die gesamtschuldnerische Haftung ist in Artikel 162 des Türkischen Obligationenrechts geregelt, in dem es heißt: „Wenn mehrere Schuldner jeweils erklären, dass sie gegenüber dem Gläubiger für die gesamte Schuld verantwortlich sind, entsteht eine Gesamtschuldnerschaft. Fehlt eine solche Erklärung, entsteht die Gesamtschuldnerschaft nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen.“
Wie aus dem Gesetzestext ersichtlich ist, tritt die gesamtschuldnerische Haftung ein, wenn mehrere Schuldner gegenüber dem Gläubiger erklären, dass sie für die gesamte Schuld verantwortlich sind. In diesem Fall kann der Gläubiger von jedem beliebigen Schuldner die vollständige Zahlung verlangen. Der Schuldner, der die gesamte Schuld beglichen hat, hat im Innenverhältnis das Recht, von den anderen Schuldnern den Anteil zurückzufordern, der über seinen eigenen Verantwortungsanteil hinausgeht. Diese Haftungsart erleichtert dem Gläubiger die Durchsetzung seiner Forderung und enthält zugleich Regelungen, die ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Schuldnern im Innenverhältnis gewährleisten.
Die gesamtschuldnerische Haftung entsteht entweder durch ausdrückliche Willenserklärungen der Parteien oder in bestimmten Fällen unmittelbar kraft Gesetzes. Insbesondere bei unerlaubten Handlungen oder Verträgen, die eine gemeinsame Haftung begründen, tritt die gesamtschuldnerische Haftung auf. Daher ist jedes gesamtschuldnerische Schuldverhältnis entsprechend den Besonderheiten des Einzelfalls gesondert zu beurteilen.
QUELLEN DER GESAMTSCHULDNERISCHEN HAFTUNG
Die gesamtschuldnerische Haftung kann grundsätzlich aus zwei verschiedenen Quellen entstehen: aus einem Rechtsverhältnis oder direkt aus dem Gesetz.
Die aus einem Rechtsverhältnis entstandene gesamtschuldnerische Haftung ergibt sich aus vertraglichen Beziehungen, die von den Parteien in freiem Willen geschlossen wurden. Haben die Parteien in dem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag ausdrücklich vereinbart, dass jeder Schuldner für die gesamte Schuld haftet, so hat der Gläubiger das Recht, die vollständige Erfüllung der Schuld von einem beliebigen dieser Schuldner zu verlangen.
Die gesetzlich begründete gesamtschuldnerische Haftung hingegen entsteht unmittelbar durch eine gesetzliche Vorschrift, ohne dass es eines Vertrages bedarf. Dies ist insbesondere bei unerlaubten Handlungen und bei Schadensfällen, die durch das Verschulden mehrerer Personen verursacht wurden, der Fall. Nach Artikel 61 des Türkischen Obligationenrechts (Türk Borçlar Kanunu, TBK) haften mehrere Personen gesamtschuldnerisch gegenüber dem Geschädigten, wenn sie gemeinsam einen Schaden verursacht haben oder wenn der Schaden durch das Zusammenwirken ihrer jeweiligen Verschuldungen entstanden ist. Voraussetzung für die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Personen für einen Schaden ist jedoch, dass es sich um einen einheitlichen und denselben Schaden handelt.
Ebenso stellen Sonderregelungen wie die Haftung des Arbeitgebers (Art. 66 TBK) oder die Haftung des Grundstückeigentümers Beispiele für die gesetzlich begründete gesamtschuldnerische Haftung dar.
Die Stellung des Gläubigers bei der gesamtschuldnerischen Haftung
Die gesamtschuldnerische Haftung stellt aus der Sicht des Gläubigers eine besonders schützende Regelung dar. Denn der Gläubiger kann die vollständige Erfüllung der Schuld von einem beliebigen Schuldner verlangen, ohne an die interne Aufteilung der Verantwortung zwischen den Schuldnern gebunden zu sein. Durch dieses dem Gläubiger eingeräumte Recht kann das Inkassoverfahren beschleunigt werden, indem er sich an den zahlungsfähigen Schuldner wendet.
Die Haftung der Schuldner besteht fort, bis die gesamte Schuld beglichen ist. Solange der Schaden nicht vollständig ersetzt ist, endet die Haftung der Schuldner nicht. Auch interne Vereinbarungen der Schuldner über den Ausgleich des Schadens binden den Gläubiger nicht. Daher ist es dem Schuldner nicht möglich, sich der Leistung mit der Begründung zu entziehen, dass mehr als sein eigener Anteil gefordert werde. Wie deutlich wird, steht es dem Gläubiger frei, selbst zu entscheiden, auf welchem Weg er die Erfüllung seiner Forderung verlangt. Er kann seine Forderung – ganz oder teilweise – gegen alle Schuldner, gegen einige von ihnen oder auch nur gegen einen einzelnen richten.
Die interne Beziehung zwischen den Schuldnern und das Rückgriffsrecht
Zwischen Gesamtschuldnern kann es trotz der Tatsache, dass sie aus externer Sicht für die gesamte Schuld haften, in der internen Beziehung Unterschiede geben. In der internen Beziehung haftet jeder Schuldner nur für den auf ihn entfallenden Anteil der Schuld. Aus diesem Grund hat der Schuldner, der die gesamte Schuld begleicht, das Recht, hinsichtlich des über seinen eigenen Anteil hinausgehenden Betrags Rückgriff auf die übrigen Schuldner zu nehmen.
Diese Angelegenheit ist ausdrücklich in Artikel 167 des Türkischen Obligationenrechts geregelt. In der betreffenden Vorschrift heißt es:
„Sofern nichts anderes vereinbart wurde oder sich aus der Art der rechtlichen Beziehung zwischen den Schuldnern nichts anderes ergibt, haften die Schuldner einander gegenüber für die an den Gläubiger geleistete Erfüllung zu gleichen Anteilen. Ein Schuldner, der mehr als seinen Anteil leistet, hat das Recht, den überbezahlten Betrag von den anderen Schuldnern zurückzufordern. In diesem Fall kann der Schuldner von jedem anderen Schuldner nur entsprechend dessen Anteil Rückgriff nehmen. Der Betrag, der von einem der Schuldner nicht beigetrieben werden kann, ist von den übrigen Schuldnern zu gleichen Teilen zu tragen.“
Durch die einschlägige gesetzliche Regelung wird dem Gläubiger nicht nur die effektive Durchsetzung seiner Forderung ermöglicht, sondern zugleich auch eine faire Lastenverteilung im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern gewährleistet. Diese Art der Haftung, die entweder auf vertraglicher Vereinbarung oder unmittelbar auf gesetzlicher Grundlage beruhen kann, hat sowohl im Vertragsrecht als auch im Deliktsrecht bedeutende Anwendungsbereiche. Daher ist es erforderlich, jedes Gesamtschuldverhältnis unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls gesondert zu beurteilen.
Es ist hervorzuheben, dass jede Schuld, die das Gesamtschuldverhältnis begründet, rechtlich selbstständig ist. Daher kann eine Handlung des Gläubigers gegenüber einem einzelnen Schuldner keine rechtlichen Auswirkungen zu Ungunsten der anderen Schuldner entfalten. So hat zum Beispiel eine vom Gläubiger ausgesprochene Mahnung nur gegenüber dem gemahnten Schuldner rechtliche Wirkung, jedoch nicht gegenüber den übrigen Schuldnern. Dieser Umstand stellt eine Ausprägung des Grundsatzes dar, dass Handlungen eines Schuldners gegenüber dem Gläubiger nicht zu einer Verschlechterung der Rechtsstellung der übrigen Schuldner führen dürfen – ein Grundsatz, der in Artikel 165 des Türkischen Obligationenrechts gesetzlich geregelt ist.
Ebenso kann der Gläubiger durch eine Vereinbarung mit einem der Gesamtschuldner weder die Fälligkeit, den Umfang noch die Höhe der Schuld zum Nachteil der übrigen Schuldner ändern, noch ist es ihm möglich, auf Grundlage eines gegen einen Schuldner erstrittenen Urteils auch die anderen Schuldner in Anspruch zu nehmen. Ausnahmen hiervon bestehen nur dann, wenn die übrigen Schuldner ausdrücklich zugestimmt haben oder eine entsprechende Ermächtigung des gesamtschuldnerisch haftenden Schuldners durch Vereinbarung nachgewiesen werden kann.
Zwar ist es dem Gläubiger nicht möglich, durch eine Handlung gegenüber einem Schuldner die rechtliche Stellung der übrigen Gesamtschuldner zu verschlechtern, wohl aber, sie zu verbessern. Ein Beispiel hierfür ist der Erlass der Schuld gegenüber einem der Schuldner. In einem solchen Fall werden die übrigen Schuldner in dem Umfang von der Schuld befreit, der dem Anteil des erlassenen Schuldners im Innenverhältnis entspricht.
ENTSCHEIDUNGEN DES KASSATIONSGERICHTS (YARGITAY)
„…Gemäß Artikel 61 des Türkischen Obligationengesetzes (TBK) kann die gesamtschuldnerische Haftung entweder auf demselben oder auf unterschiedlichen Gründen beruhen.
– Gesamtschuldnerische Haftung aufgrund der gemeinsamen Verursachung desselben Schadens durch mehrere Personen:
Wenn mehrere Personen gemeinsam denselben Schaden verursachen, liegt ein Schaden vor, der auf demselben Grund beruht. Der gemeinsame oder gleiche Grund, der die gesamtschuldnerische Haftung begründet, kann ein Verschulden sein, aber auch aus einem Vertrag oder dem Gesetz stammen.
– Haftung mehrerer Personen für denselben Schaden aus verschiedenen Gründen:
Es ist möglich, dass mehrere Personen für denselben Schaden aus unterschiedlichen Gründen haften. Diese verschiedenen Gründe können eine Verschuldenshaftung (unerlaubte Handlung), eine vertragliche Haftung oder eine verschuldensunabhängige Haftung (gesetzlich) sein.
So kann z. B. einer von mehreren Schädigern denselben Schaden aufgrund einer unerlaubten Handlung, ein anderer aufgrund eines Vertrags und ein dritter aufgrund einer Sorgfalts- oder Gefährdungshaftung ersetzen müssen.
Ein Beispiel: Wenn ein von einem Fahrer geführtes Fahrzeug einem Fahrgast Schaden zufügt, haftet der Fahrzeughalter gemäß Artikel 85 des Straßenverkehrsgesetzes aufgrund der Gefährdungshaftung (verschuldensunabhängig), der Fahrer gemäß Artikel 49 des Türkischen Obligationengesetzes aufgrund der Verschuldenshaftung (unerlaubte Handlung), und der Versicherer ist verpflichtet, den Schaden gemäß der vertraglichen Beziehung (Police) zu ersetzen…“
(Yargıtay 17. Zivilsenat, 2016/9059 E., 2017/3659 K., Urteil vom 04.04.2017)
„…Auch in Artikel 61 des Türkischen Obligationengesetzes Nr. 6098 (TBK) wird betont: ‚Wenn mehrere Personen gemeinsam einen Schaden verursachen oder für denselben Schaden aus unterschiedlichen Gründen verantwortlich sind, finden die Vorschriften über die gesamtschuldnerische Haftung Anwendung.‘ Damit wird hervorgehoben, dass mehrere Personen für einen Schaden entweder aus demselben oder aus unterschiedlichen Gründen verantwortlich sein können (eine entsprechende Regelung findet sich auch in Artikel 51 des ehemaligen Obligationenrechts Nr. 818).
Diese Situation tritt ein, wenn bei zwei oder mehr Personen die Voraussetzungen für eine Haftung oder eine Ersatzpflicht gegeben sind. In solchen Fällen sind auf die Verantwortlichen die Vorschriften der gesamtschuldnerischen Haftung anzuwenden. Die gesamtschuldnerische Haftung ist eine gesetzlich vorgesehene Haftungsart, bei der der Gläubiger berechtigt ist, sich an einen der gesamtschuldnerisch Haftenden zu wenden, ohne ausdrücklich angeben zu müssen, dass seine Forderung auf gesamtschuldnerischer Haftung gegenüber allen Betroffenen beruht…“
(Yargıtay 17. Zivilsenat, 2016/4586 E., 2019/35 K., Urteil vom 14.01.2019)
„…Das Regressrecht der Innenbeziehung, das dem „den Geschädigten befriedigenden Schädiger“ zusteht, wird definiert als das Recht auf Schadensersatz, das den gesetzlich gesamtschuldnerisch haftenden Schädigern eingeräumt wird, wonach einer von ihnen, der den Gläubiger bzw. Geschädigten ganz oder teilweise befriedigt hat, in dem Umfang, in dem er mehr als seinen Anteil gezahlt und damit die Schuld eines anderen erfüllt hat, von den übrigen Schuldnern einen Ausgleich für die Vermögenseinbuße verlangen kann. Für den Beginn der Innenbeziehung ist nicht immer erforderlich, dass das Außenverhältnis vollständig beendet ist, das heißt, dass der Geschädigte vollständig befriedigt wurde. Manchmal können Innen- und Außenverhältnis gleichzeitig fortbestehen. Wurde der Geschädigte teilweise von einem der Schädiger befriedigt, so kann dieser, wenn die Teilleistung seinen Anteil im Innenverhältnis übersteigt, den Überschussanteil von den anderen Schädigern zurückfordern. Die Innenbeziehung zwischen den schadensersatzpflichtigen Schädigern, von denen Regress genommen werden kann, stellt keine gesamtschuldnerische Haftung, sondern eine anteilige Haftung dar…“
(Yargıtay 17. Zivilsenat, 2014/10654 E., 2016/4964 K., Urteil vom 19.04.2016)
Rechtsanwalt Gökhan AKGÜL & Rechtsanwältin Yasemin ERAK
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