Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Gehörlosen und Sprachlosen

Der Artikel 33 des Türkischen Strafgesetzbuches Nr. 5237 unterwirft die strafrechtliche Verantwortlichkeit von gehörlosen und stummen Personen einer besonderen Regelung. Diese Regelung erkennt an, dass die Fähigkeit dieser Personen, Wahrnehmungen zu verarbeiten und ihr Verhalten zu steuern, abhängig von ihrem Verständnis des rechtlichen Sinns und der Folgen der begangenen Tat variieren kann, und berücksichtigt die Auswirkungen von Einschränkungen im Lernprozess auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit.

Der Begriff „gehörlos und stumm

Der im Artikel 33 des Türkischen Strafgesetzbuches verwendete Begriff „gehörlos und stumm“ bezieht sich auf Personen, die von Geburt an oder im frühen Kindesalter ihr Hör- und Sprachvermögen verloren haben. Der Hörverlust schränkt die Fähigkeit einer Person ein, mit ihrer Umwelt effektiv zu kommunizieren, während der Sprachverlust die Fähigkeit beeinträchtigen kann, sich im gesellschaftlichen Leben auszudrücken. Dies betrifft nicht nur den physischen Zustand der Person, sondern beeinflusst auch ihre kognitive, psychologische und soziale Entwicklung.

Kommunikation ist das grundlegendste Mittel, durch das eine Person mit der Gesellschaft interagiert. Die Einschränkungen gehörloser und stummer Personen in diesem Bereich wirken sich direkt auf ihre Fähigkeit aus, gesellschaftliche und rechtliche Normen zu erlernen und zu verstehen. Dies stellt einen wichtigen Faktor im Hinblick auf ihre strafrechtliche Verantwortung dar. Denn die strafrechtliche Verantwortlichkeit dieser Personen muss nicht nur nach ihrem Alter, sondern auch entsprechend ihrem Entwicklungsstand, ihren Wahrnehmungsfähigkeiten und ihrer Art der Kommunikation mit der Gesellschaft beurteilt werden. Deshalb erfordert die strafrechtliche Verantwortung gehörloser und stummer Personen in der Regel eine individuelle Bewertung, die auf ihrem physischen und psychologischen Zustand basiert.

Altersabhängige strafrechtliche Verantwortung

Der Artikel 33 des türkischen Strafgesetzbuches bestimmt die strafrechtliche Verantwortung tauber und stummer Personen je nach Altersgruppe unterschiedlich. Mit dieser Regelung wurde für jede Altersgruppe ein eigener Ansatz entwickelt.

  1. Taube und Stumme unter 15 Jahren: Nach den einschlägigen Bestimmungen besitzen taube und stumme Personen, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, keine strafrechtliche Verantwortlichkeit. Da diese Altersgruppe keine strafrechtliche Verantwortlichkeit trägt, werden gegen sie keine strafrechtlichen Ermittlungen oder Verfahren durchgeführt. Allerdings können bei diesen Personen zum Schutz der öffentlichen Ordnung kinderbezogene Sicherheitsmaßnahmen angewendet werden.
  2. Taube und Stumme im Alter von 15 bis 18 Jahren: Für taube und stumme Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet, aber das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, ist es verpflichtend, sowohl ein forensisches Gutachten als auch einen Sozialbericht einzuholen, um ihre Fähigkeit zur Wahrnehmung der rechtlichen Bedeutung und Folgen der begangenen Tat zu bewerten. Das forensische Gutachten dient dazu, festzustellen, ob die Person strafrechtlich verantwortlich ist und sich der Straftat bewusst ist. Wenn diese Personen eine Tat begangen haben, die eine verschärfte lebenslange Freiheitsstrafe erfordert, wird die Strafe auf 12 bis 15 Jahre herabgesetzt; bei einer Tat, die eine lebenslange Freiheitsstrafe erfordert, wird die Strafe auf 9 bis 11 Jahre herabgesetzt. Bei anderen Freiheitsstrafen mit fester Dauer wird die Strafe um die Hälfte reduziert, und die für jede Tat verhängte Strafe darf 7 Jahre nicht überschreiten.
  3. Taube und Stumme im Alter von 18 bis 21 Jahren: Für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet, aber das 21. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, reicht es aus, nur einen Sozialbericht einzuholen. Ein forensisches Gutachten ist nicht erforderlich. Wenn diese Personen eine Tat begangen haben, die eine verschärfte lebenslange Freiheitsstrafe erfordert, wird die Strafe auf 18 bis 24 Jahre herabgesetzt; bei einer Tat, die eine lebenslange Freiheitsstrafe erfordert, wird die Strafe auf 12 bis 15 Jahre herabgesetzt. Bei anderen Freiheitsstrafen mit fester Dauer wird die Strafe um ein Drittel reduziert, und die für jede Tat verhängte Strafe darf 12 Jahre nicht überschreiten.
  4. Taube und Stumme über 21 Jahre: Diese Personen unterliegen den allgemeinen strafrechtlichen Vorschriften des Türkischen Strafgesetzbuchs. Es kann jedoch erforderlich sein, ein forensisches Gutachten einzuholen, um ihre Wahrnehmungs- und Willensfähigkeiten zu beurteilen. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit dieser Altersgruppe wird im Rahmen der allgemeinen strafrechtlichen Vorschriften bestimmt, wobei unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände eine detailliertere Untersuchung erforderlich sein kann.

Soziale Untersuchung und forensischer Bericht

§ 33 des türkischen Strafgesetzbuchs enthält eine besondere Regelung zur Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von gehörlosen und stummen Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht das 18. Lebensjahr erreicht haben. Um festzustellen, ob diese Altersgruppe strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit besitzt, muss ihre Fähigkeit ermittelt werden, die rechtliche Bedeutung und die Folgen der begangenen Tat zu erfassen. Dafür ist sowohl ein sozialwissenschaftliches Gutachten als auch ein forensischer Bericht erforderlich.

Der forensische Bericht ist ein Gutachten, das bewertet, ob die Person zum Zeitpunkt der Tat strafrechtlich verantwortlich war, also ob sie die rechtliche Bedeutung und die Folgen der Tat erfassen kann. Im Fall von gehörlosen und stummen Personen umfasst dieser Bericht eine Untersuchung durch Experten, die die Art der Kommunikation der Person, ihre Wahrnehmungsfähigkeiten, das Ausmaß ihres Bewusstseins über die Ereignisse und die Auswirkung dieses Bewusstseins auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit analysieren. Dabei werden neben sensorischen Beeinträchtigungen auch kognitive und psychologische Prozesse bewertet. Dieser Bericht hilft im Gerichtsverfahren festzustellen, ob die Person zum Tatzeitpunkt die rechtliche Bedeutung und die Folgen der Straftat wahrgenommen hat.

Der Sozialbericht hingegen betrachtet Faktoren wie die familiäre Struktur, den Bildungsstand, das soziale Umfeld, die Wohnsituation und den psychologischen Zustand der Person und bewertet dabei den Entwicklungsprozess und die Umwelteinflüsse des Individuums. Dieser Bericht zielt darauf ab, zu verstehen, wie gehörlose und stumme Personen mit der Gesellschaft interagieren und welche möglichen Auswirkungen diese Interaktion auf ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit hat. Zum Beispiel kann die Art der Erziehung durch die Familie, das Schulleben und die sozialen Beziehungen wichtige Hinweise auf die Fähigkeit zur Straftat liefern. Außerdem muss der psychologische Zustand im diesem Zusammenhang bewertet werden, da die emotionale und kognitive Entwicklung das Bewusstseinsniveau der Person zum Tatzeitpunkt beeinflussen kann.

Sicherheitsmaßnahmen und Strafmilderungen

Taubheit und Sprachlosigkeit werden als Strafminderungsgründe geregelt, die je nach Altersgruppen variieren. Die Strafmündigkeit tauber und stummer Personen kann insbesondere dann zu einem Straflosigkeitsgrund führen, wenn die Betroffenen jünger als 15 Jahre sind oder wenn die Taubheit und Sprachlosigkeit die strafrechtliche Verantwortlichkeit vollständig beeinträchtigen. In solchen Fällen wird aufgrund des Fehlens eines Verschuldens zum Tatzeitpunkt entschieden, keine Strafe zu verhängen. Stattdessen werden Sicherheitsmaßnahmen angewendet.

Gleichzeitig ist für taube und stumme Personen unter 21 Jahren festgelegt, dass die in Art. 53/1 des Türkischen Strafgesetzbuches genannten Sicherheitsmaßnahmen nicht angewendet werden dürfen (vgl. Art. 33 i.V.m. Art. 53/4 TStGB). Taube und stumme Personen dieser Altersgruppe werden trotz Verurteilung zu Freiheitsstrafen wegen vorsätzlich begangener Straftaten nicht der folgenden Rechte beraubt:

1- Die Übernahme einer dauerhaften oder vorübergehenden öffentlichen Funktion, insbesondere die Mitgliedschaft in der Großen Nationalversammlung der Türkei, die Anstellung als Beamter oder die Ausübung anderer öffentlicher Ämter in staatlichen, Provinz- oder Gemeindebehörden,

2- Der Entzug zivilrechtlicher Befugnisse wie das Sorgerecht, die Vormundschaft oder Pflegschaft,

3- Die Ausübung von Leitungs- oder Kontrollfunktionen in juristischen Personen wie Stiftungen, Vereinen, Gewerkschaften, Unternehmen und politischen Parteien,

4- Der Entzug des Rechts, einen Beruf oder ein Gewerbe, das der Genehmigung einer öffentlichen Behörde bedarf, selbständig auszuüben.

Außerdem finden für diese Personen die Regelungen über Rückfall gemäß Artikel 58/5 des Türkischen Strafgesetzbuchs keine Anwendung.

Rechtsprechungen des Kassationshofs

„…Dass dem als taubstumm erkannten Angeklagten gemäß Art. 150/2 der Strafprozessordnung (CMK) ein Pflichtverteidiger bestellt wird, wurde nicht berücksichtigt, und das Verfahren wurde dennoch fortgesetzt, was die Aufhebung des Urteils erforderlich machte…“ (Oberster Gerichtshof, 4. Strafsenat, Az. 2017/5248 E., 2018/722 K., 16.01.2018)

„…Die Vernehmung des als taubstumm erkannten Angeklagten erfolgte ohne Verteidiger, und es wurde in dessen Abwesenheit eine Verurteilung ausgesprochen, wodurch das Recht des Angeklagten auf Verteidigung eingeschränkt wurde. Zudem wurde nicht berücksichtigt, dass nach § 33 des türkischen Strafgesetzbuches (TCK) keine Strafminderung möglich ist, wenn der Angeklagte zum Tatzeitpunkt bereits 21 Jahre alt war. Außerdem wurde übersehen, dass die zur Wiederholungstat herangezogene Entscheidung gemäß § 33 TCK eine Strafminderung enthielt und keine weiteren Entscheidungen zur Wiederholungstat vorlagen, weshalb diese Entscheidung nach § 58/5 TCK nicht als Grundlage für eine Wiederholungstat dienen kann. Dies erforderte die Aufhebung des Urteils…“ (Oberster Gerichtshof, 13. Strafsenat, Az. 2015/5825 E., 2016/8511 K., 09.05.2016)

Anwalt Gökhan AKGÜL & Anwalt Yasemin ERAK

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